1 fan
Mit einer Gabel erstechen, vergiften, erschießen, in den Kochtopf stecken, in der Pfeife rauchen, überfahren, erhängen – alles Sachen, die man mit seiner eigenen Mutter nicht anstellen sollte. Es sei denn, man heißt Nillosan und hat sich der „subversiven Lächerlichmachung bestehender Machtverhältnisse und Marktmechanismen“ verschrieben, kurz: der Satire. Bereits 1996 nahmen die Hamburger Illustratoren Lupo Duro (Ulf Harten) und DM Trocken (Doris Dörr) alias Nillosan den Song „50 Ways To Kill Your Mother“ als Begleitung für ihren gleichnamigen Comic auf, der im selben Jahr im Berliner Verlag Jochen Enterprises erschien und heute in der Szene längst Kult-Status besitzt. Der Song hingegen wäre fast für alle Zeiten verloren gegangen.
„Die einzig existierende Master-CD des ‚50 Ways’-Songs ist am 10. September 2011 – einen Tag vor 9/11! – bei einem Autounfall auf der A7 fast völlig zerstört worden“, berichtet Ulf Harten, der sich als Musiker Lupo Duro nennt. „Sie lag zusammen mit unserem gesamten musikalischen Hab und Gut inklusive Drums und Stratocoaster auf dem Asphalt, verdreckt und zerkratzt.“ Als im vergangenen Jahr die Idee einer offiziellen Veröffentlichung des Songs aufkam, standen Nillosan ohne Master da. Dachten sie zumindest: „Ich habe dann, wie aus Trotz, die rotte CD einfach noch einmal, quasi als letzten Versuch, in den CD-Player gesteckt und ... sie funktionierte!“
Und das ist ein wahres Geschenk. Denn mit seinem unpolierten DIY-Ansatz hebt sich „50 Ways To Kill Your Mother“ von heutigen Hochglanzproduktionen auf geradezu kathartische Weise ab. Getragen von einem rauen, rotzigen Funk-Beat mit heulenden Gitarren und jaulenden Trompeten, rappen und radebrechen sich Lupo Duro und DM Trocken in betont unbeeindrucktem Schulenglisch durch die 50 kreativen Arten, die eigene Mutter um die Ecke zu bringen. Mit ihrer freigeistigen, herrlich unbekümmerten „Einfach-mal-machen“-Attitüde sind Nilloson mit beiden Beinen fest im Punk verwurzelt. Und dann wäre dann natürlich noch Paul Simon zu nennen, von dessen „50 Ways to Leave Your Lover“ nicht nur das Drum-Intro entliehen ist, sondern auch die Inspiration zum Song.
„Wie immer, wenn ich als Comiczeichner wochenlang meine Zeit am Zeichenbrett verbringe, läuft Musik zur inspirativen Verschönerung meines Jetzt-Zustandes. So entstand eines Tages beim leisen Mitsummen von Paul Simons Song die variierte Textzeile ‚50 ways to kill your mother’“ – eine Hookline, die Lupo Duro damals wie gerufen für seine Idee kam, einen Comic ausschließlich mit Piktogrammen und ihrer Minimal-Ästhetik zu zeichnen. Die Hauptrolle darin spielt ein kleines Mädchen, das seine ewig drangsalierende Mutter auf 50 Weisen effektiv loswird – im Buch wie im Song schwarze Satire in Reinform. „Es geht um die Selbstbefreiungsfantasien der Kleinen, Machtlosen und Entrechteten, hier durch ein Kind repräsentiert, die im Songtext schön ironisch überzeichnet und durchdekliniert werden und trotz aller Grausamkeiten eher komisch als brutal rüberkommen.“