Wer hätte die apokalyptische Zukunft vorhergesehen – die für uns zu einer unschönen Realität geworden ist?
Das Video zur ersten Single „Métamorphoses“ aus der kommenden Ravages EP „Jusqu’au large“ zeigt eine Welt, die uns heute leider sehr bekannt vorkommt – leere Straßen, maskierte Gesichter. Beim Dreh dieser Bilder beschworen das Electropop-Duo und Regisseur Jeremy Vissio beinahe dystopische Visionen.
Aber, wie heißt es so schön in dem Song: ‘Sometimes time speeds up’, manchmal holt die Zeit uns ein.
Simon Beaudoux (Vocals) und Martin Chourrout (Production) begeistern sich für Zukunftsvisionen. So basiert der Name des Duos auf einem Science-Fiction-Roman des französischen Autors René Barjavel. Vor diesem Hintergrund und mit Einflüssen wie Kraftwerk’s Mensch-maschine und einem Hauch gut abgehangener Kinoluft (Brazil, John Carpenter) nehmen uns Ravages mit auf eine futuristische, popmoderne Odyssee, wo sich Wellen von Synthesizern mit bittersüßen Melodien verbinden, die auch Erinnerungen an New Order, LCD Soundsystem, Phoenix, Serge Gainsbourg und Malik Djoudi wach werden lassen.
Nachdem sie mehrere Jahre mit ihrer früheren Indiepop-Band Exsonvaldes erfolgreich in Europa auf Tour waren, vier Alben veröffentlicht und vor allem in Spanien große Erfolge gefeiert haben, legten die beiden Musiker ihre Gitarren zur Seite und wendeten sich einem elektronischen Chanson Française zu.
Den Anfang machten sie mit der EP Renaissance, produziert von Tobias Wilner von der dänischen Band Blue Foundation. In den bisher fast 20 Jahren ihrer Zusammenarbeit haben Martin und Simon ihre Faszination für eine bestimmte Ära dieses Genres ständig weiterentwickelt und dabei stilistische Grenzen gesprengt. Mit dem Ergebnis kann sich in dieser von der Pandemie und Massenüberwachung geprägten Zeit fast jeder identifizieren.
Diese Reise durch die Zukunft und die Gegenwart mit deutlichen Bezügen zur Vergangenheit wird auch von dem speziellen, wissenschaftlichen Hintergrund des Duos geprägt: Einer hat an der Polytechnique School of Paris studiert und der Andere hat einen Master in Künstliche Intelligenz.
Kann man also Songs schreiben, wie man Gleichungen löst? “Man kann eine Hypothese aufstellen, aber diese mit Songs zu beweisen, wäre eine ungenaue Wissenschaft!” sagen Simon & Martin.
Unter ihren Tracks sind Schlummerlieder, geschrieben in schlaflosen Nächten (Rouge Soleil aus dem Soundtrack der Netflix-Serie Emily in Paris), Gedankenspiele über sozialen Determinismus (D’où je viens) und überbordende Hymnen (Munich).
Aber wo findet man Licht zwischen all den Desastern und der Unsicherheit?
Ravages entführen uns in eine Welt der Innovationen und elektronischer Musik, gepaart mit einer Prise zeitgenössischer Popmusik und dem simplen und wichtigsten Element von allen: der Lust, sich selbst neu zu erfinden. “Become something else, question everything, destroy everything, nothing stands in the way”, lautet eine von Simon gesungene Textzeile. Eine neue Welt anstoßen, bevor es jemand anderes für uns tut:
Im Roman ‚Ravage’ beschreibt René Barjavel die Menschheit im Jahr 2052 als ‘geschwindigkeitsmüde’, so dass sie sich entscheidet, langsamer zu machen und damit das “Erste Zeitalter der Vernunft” einleitet, welches schnell zu einem autoritären System wird.
Jede Ähnlichkeit mit bereits existierenden oder im Entstehen begriffenen Werken wäre rein zufällig, aber wer kann schon in die Zukunft schauen?