Michel van Dykes Biographie besteht aus Musik. Geplant war das nicht, das Talent lag nicht in der Wiege, keine Spur von einer klassischen Musikerfamilie oder instrumentaler Früherziehung. „Ich habe das einfach gemacht. Ich mache das immer noch. Und ich könnte auch nichts anderes machen. Ich kann nicht sagen, woher das kommt, aber es ist mir ein Grundbedürfnis, zu singen und mich dabei zu begleiten.“
Die Musik entfaltet ihre Magie bereits sehr früh. „Als ich 4 oder 5 Jahre alt war, habe ich das erste Mal ,All You Need Is Love‘ im Radio gehört - und anschließend habe ich versucht zu verstehen, warum das so schön war. Es war ein unbeschreibliches Erlebnis, nicht wirklich fassbar. Und davon ist etwas in mir zurückgeblieben. Immer, wenn ich Musik schreibe oder spiele, versuche ich diesem Gefühl nahe zu kommen. Ich bin nicht religiös, aber dieses Gefühl in der Musik, das hat etwas von Gott nahe sein.“
Ein Platz, an dem er seinem Gott in Jugendtagen nahe sein kann, ist die Orgel der katholischen Kirche seiner Heimatgemeinde Noordwijkerhout. Sein Gott, das ist die Musik. Mit dem Gott der anderen nimmt er es allerdings nicht so genau und flicht während der Messen en passant „Smoke on the Water“ von Deep Purple oder gar Serge Gainsbourgs „Je t‘aime“ in die sakralen Klänge ein. Weitgehend unbemerkt, erstaunlicherweise.
Wenige Jahre später verschlägt es Michel van Dyke samt Familie nach Ostwestfalen, nach dem Abitur in Warburg macht er sich dann allein auf den Weg, raus aus der Provinz in Richtung Hamburg. Die Musikmetropole soll sein persönliches Tor in die Welt des Pop sein. Und tatsächlich, nach einigen Anläufen stellt sich der Erfolg ein - wenngleich dieser viele verschiedene Gesichter hat: In den frühen 90ern gilt Michel van Dyke als internationale Pop-Hoffnung, spätestens, als der unter Musikern gefürchtete wie geachtete Londoner Branchenbote „NME“ sein Album „One Life“ unter die weltweit 50 besten Alben des Jahres wählt. Zwei Alben und zehn Jahre später reüssiert Michel van Dyke auf „Die große Illusion“ und „Bossa Nova“ als deutschsprachiger Chansonnier, zuletzt ist er Mastermind der von Beat und Sixties-Sound angetriebenen Formation „Ruben Cossani“. Zwischendurch schreibt Michel van Dyke Musik für Kinoproduktionen wie „Crazy“ und „Anatomie“, vor allem aber immer wieder Songs für so unterschiedliche Künstler wie Anna Loos, Patrick Nuo, Thomas Godoj oder die Band ECHT, der er unter anderem ihren Hit „Du trägst keine Liebe in dir“ auf den Leib schneidert. Mittlerweile verrät er auch anderen, wie das geht: Seit 2013 ist Michel van Dyke Professor für Komposition, Arrangement und Songwriting an der Hochschule für Musik und Theater Hannover.
„Einen Song entstehen zu lassen verursacht Glücksgefühle in mir. Das ist wie ein Rausch, ich bin ganz bei mir, vergesse die Welt um mich herum und tauche in eine neue ein. Jeder Text ist für mich wie ein Drehbuch, zu dem ich eine imaginäre Filmmusik komponiere. Und am Ende muss alles passen, Story, Schnitt und Stimmung.“ Entsprechend reicht Michel van Dykes künstlerische Meinung weit über das rein Musikalische hinaus. Sein ausgeprägtes Gefühl für Ästhetik äußert sich immer im Gesamten, vom Snare-Sound über die Gestaltung des Cover-Artworks bis hin zur Farbe des Rollkragenpullovers auf den offiziellen Pressefotos. Doch der Perfektionismus macht es nicht nur leichter: „Ich glaube, ich versuche bei jedem Album, mein persönliches Sgt. Pepper zu erschaffen, weil ich das Gefühl habe, es würde bei Abgabe des Masters in Stein gemeißelt und müsste für ewig gültig bleiben. Und wenn mir nur ein Detail nicht gefällt, kann ich nicht schlafen. Es ist schrecklich, ich mache mich zu sehr verrückt. Für mein neues Album etwa brenne ich seit mittlerweile drei Jahren - und ich hätte gern noch mehr Zeit gehabt. Wahrscheinlich ist es gut, dass ich sie nicht hatte.“